Intoleranzen sind die häufigsten nicht immunologischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten: In Europa sind 15 – 20 % der Menschen davon betroffen. Zu den Lebensmittelbestandteilen, die Betroffene nicht vertragen, zählen Lactose, Fructose und andere Kohlenhydrate, aber auch Histamin und Acetaldehyd. Als Hauptursachen kommen ein Enzymmangel sowie Erkrankungen, die den Transport von Sacchariden behindern, in Frage. Bei den Kohlenhydratmalabsorptionen können die entsprechenden Kohlenhydrate durch einen Enzymmangel oder eine Transportstörung nicht in den Dünndarm aufgenommen werden – sie gelangen daher ungespalten in den Dickdarm, wo sie durch Bakterien zu Fettsäuren, Methan, Kohlendioxid und Wasserstoff metabolisiert werden. Aus der Ansammlung dieser Stoffe können Blähungen, Schmerzen und Diarrhö resultieren, aber auch systemische Symptome, wie Müdigkeit und Gereiztheit, sind möglich.
Aber auch pseudoallergische und pharmakologische Reaktionen sind möglich, bspw. auf Geschmacksverstärker (Glutamat) und Süßungsmittel (Aspartam) oder auf Acetaldehyd nach Behandlung mit Metronidazol. Einen Überblick zu den häufigsten Intoleranzen mit ihrem zugrundeliegenden primären und sekundären Mangel bietet Tabelle 1.
Tabelle 1: Zielstruktur, Enzymstruktur sowie Ätiologie eines primären und sekundären Mangels der häufigsten Nahrungsmittelintoleranzen; adaptiert von Zopf et al. 2009Zielstruktur | Defekte bzw. fehlende Enzymstruktur | Ätiologie eines primären Mangels | Ätiologie eines sekundären Mangels |
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Kohlenhydrate |
Lactose, Saccharose, andere Disaccharide | Disaccharidasen: Lactase, Sucrase, Maltase, Isomaltase (kombiniert) | Autosomal rezessiv | Darmentzündung (Infektionen, Zöliakien, CED) |
Disaccharid | Disaccharidase (isoliert) | |
Fructose | GLUT-5-Transportdefekt | |
Lactose | Lactase (β-Galactosidase) | - Kongenital (autosomal rezessiv; sehr selten)
- Physiologisch (ab dem 3.–5. Lebensjahr)
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Saccharose | Saccharase (Sucrase-Isomaltase) | Autosomal rezessiver Saccharase-Isomaltase-Mangel |
Maltose | Maltase (α-Glucosidase) | Autosomal rezessiv Medikation mit Acarbose | Medikation mit Acarbose, Miglitol |
Trehalose | Trehalase | Autosomal rezessiv | Darmentzündung (Infektionen, Zöliakien, CED) |
Galactose | Galactase | Autosomal rezessiv | Darmentzündung (Infektionen, Zöliakien, CED) |
Biogene/Amine |
Histamin u. a. | z. B. Diaminoxidase | Autosomal rezessiv | Darmentzündung (Infektionen, Zöliakien, CED) |
Andere Intoleranzen |
Fructose | Fructoseintoleranz Aldolase B | Autosomal rezessiv | / |
Favabohnen | Glucose-6-Phosphatdehydrogenase | X-chromosomal vererbter Enzymdefekt | Medikation mit Sulfonamiden |
Acetaldehyd | Alkoholdehydrogenase | | Medikation mit Metronidazol |
CED: chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Um eine vollständige Symptomfreiheit zu erreichen, sollten Betroffene entsprechende Lebensmittel meiden. Mithilfe von Enzympräparaten können einige Lebensmittel wieder verzehrt werden, die Wirkung ist jedoch individuell verschieden. Im Folgenden werden die Lactoseintoleranz als prävalenteste Intoleranz gegenüber Kohlenhydraten sowie die Histaminintoleranz als Beispiel für eine Intoleranz gegenüber biogenen Aminen näher betrachtet.
Lactoseintoleranz
Die häufigste Nahrungsmittelintoleranz ist die Lactoseintoleranz, auch Lactosemalassimilation genannt. Ihr liegt ein Mangel an Lactase zugrunde. Die Fähigkeit, Lactose im Erwachsenenalter verstoffwechseln zu können, ist regional verschieden: In Europa ist die Lactase-Aktivität bei durchschnittlich 57 % erhalten und ist besonders verbreitet in den nördlichen Ländern Europas, beispielsweise in Finnland mit 83 %. Im Vergleich dazu beträgt die Lactase-Aktivität in anderen Bevölkerungsgruppen, etwa in China und Japan, im Erwachsenenalter nur noch 10 – 20 %. Die primäre Laktoseintoleranz ist dabei in zwei Gruppen einzuteilen. Auf der einen Seite besteht die physiologische Intoleranz als häufigste Variante. Dabei wird die Expression der Lactase im Laufe der Zeit schrittweise weniger. Die in der Milch enthaltene Laktose kann somit im Erwachsenenalter kaum oder nicht mehr verstoffwechselt werden und führt daher zu den oben beschriebenen, typischen Symptomen. Die Reduktion der Lactase-Aktivität vollzieht sich in verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich schnell. Im chinesischen und japanischen Raum tritt die Lactoseintoleranz wenige Jahre nach der Stillzeit auf. Im nördlicheren Europa kann sich die Reduktion der Lactase-Aktivität bei den betroffenen 15 – 20 % der Bevölkerung bis über das 20. Lebensjahr hinauszögern. Die Gründe hierfür liegen in der Siedlungsgeschichte Europas begründet. Mit Beginn der Milchviehzucht im Verlauf des 8. Jahrtausends v. Chr. entwickelte sich aufgrund des Selektionsdrucks eine Gruppe lactosetoleranter Menschen, die im Laufe des 7. Jahrtausends v. Chr. sukzessive Europa besiedelten.
Auf der anderen Seite existiert die kongenitale, autosomal rezessiv-vererbte Lactoseintoleranz. Diese ist sehr selten und schwerwiegend: Betroffene Säuglinge leiden unter starken Symptomen, eine sofortige lactosefreie Ernährung ist notwendig. Neben diesen primären Formen treten auch reversible sekundäre Formen aufgrund von akuten Darmentzündungen durch Infektionen oder Zöliakie auf.
Histaminintoleranz
Von einer Histaminintoleranz ist etwa 1 % der Bevölkerung betroffen. Meist liegt der Intoleranz ein Mangel an Diaminoxidase zugrunde, der dazu führt, dass das durch die Nahrung aufgenommene Histamin nicht abgebaut werden kann. DAO ist ein exkretorisches Enzym, welches von Hautzellen der Darmschleimhaut ausgeschieden wird. In selteneren Fällen kann auch das Enzym Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) betroffen sein. Allerdings ist die Relevanz der HNMT im Zusammenhang mit der Nahrungsmittel-bedingten Histaminintoleranz nur von untergeordneter Bedeutung, da es als intrazelluläres Enzym vorrangig in Leber, Niere und ZNS hauptsächlich für den Abbau von endogen produzierten Histamin zuständig ist, welches unabhängig von der Aufnahme von Histamin über die Nahrung freigesetzt wird. Histamin zählt zu den biogenen Aminen, die bei Betroffenen der Intoleranz Symptome auslösen können, die einer Nahrungsmittelallergie gleichen, wie etwa Kopfschmerzen, Hypotension, Erytheme und gastrointestinale Beschwerden. Bereits bei einer geringen Erhöhung des Histaminspiegels wird vermehrt Magensäure sekretiert und die glatte Muskulatur beginnt zu kontrahieren; die Folge sind Völle- und Spannungsgefühl oder Schmerzen. Steigt die Konzentration weiter an, kommt es zu Tachykardien, Arrhythmien und sowie Hautreaktionen und schließlich zu Hypotonie und Bronchospasmus. Zu den Triggerfaktoren der Histaminintoleranz zählen:
- Nahrungsmittel mit hohem Histamingehalt, wie Rotwein, Käse, Fisch und Sauerkraut
- Diaminoxidase hemmende Nahrungsmittel, wie z. B. schwarzer Tee und Alkohol
- Nahrungsmittel mit verstärkter Histaminfreisetzung, wie Zitrusfrüchte, Nüsse und Weizenkeime
- Sowie andere Faktoren, die die Histaminfreisetzung erhöhen, z. B. Infektionen, sportliche Aktivität, Stress, chronische Erkrankungen, wie Niereninsuffizienz, und Medikamenteneinnahme, z. B. nicht steroidale Antirheumatika, Metamizol oder Opiate
Diagnostik
Zur Diagnostik bei Nahrungsmittelintoleranz gehören eine ausführliche Anamnese sowie eine diagnostische Diät, bei der für etwa vier Wochen auf alle Nahrungsmittel verzichtet wird, die den entsprechenden Nahrungsmittelbestandteil enthalten. Bei Verdacht auf Kohlenhydratmalabsorptionen wird häufig nachfolgend ein H2-Atemtest durchgeführt, bei dem der Wasserstoff-Gehalt der ausgeatmeten Luft nach Verabreichung der vermutlich auslösenden Zuckerart auf nüchternen Magen in verschiedenen Zeitabständen gemessen wird. Ein Anstieg des Wasserstoff-Gehalts deutet auf eine Intoleranz hin. Bei Verdacht auf Lactoseintoleranz können nachgelagert außerdem die Enzymaktivität und mögliche Polymorphismen der enzymkodierenden Gene in der Darmmukosa bestimmt werden. Zur Diagnose der Histaminintoleranz kann zusätzlich zu Anamnese und Eliminationsdiät die Aktivität der Diaminoxidase und der Kofaktoren des Enzyms, wie beispielsweise Vitamin B6, im Serum bestimmt werden sowie eine Messung von Histamin im Plasma und Methylhistamin im Urin erfolgen. Differenzialdiagnostisch sollten vorab immer sekundäre Mängel des entsprechenden Enzyms, bspw. durch Darmerkrankungen, ausgeschlossen werden. Für weitergehenden Informationen zur Diagnostik kann das Kompendium „Nahrungsmittelunverträglichkeiten - Ein differenzialdiagnostisches Chamäleon“ genutzt werden.
Fazit
Nahrungsmittelintoleranzen betreffen bis zu 20 % der Menschen in Industrieländern, sie sind damit die Hauptauslöser von Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Die häufigsten Symptome sind gastrointestinale Beschwerden, wie Durchfall und Übelkeit, aber auch systemische Beschwerden können auftreten, darunter depressive Verstimmungen und Hypotonie. Die häufigste Intoleranz ist die Lactoseintoleranz, die regional unterschiedlich häufig auftritt: Im nördlichen Europa beträgt die Prävalenz 15 – 20 %, in China und Japan ca. 80 – 90 %. Die Diagnostik einer Nahrungsmittelintoleranz besteht in erster Linie aus einer umfassenden Anamnese sowie einer Eliminationsdiät. Bei Verdacht auf Kohlenhydratmalabsorption kann ein H2-Atemtest sowie die Enzymaktivitätsbestimmung in der Darmmukosa erfolgen. Zur Diagnostik der Histaminintoleranz kann die Aktivität der Diaminoxidase und ihrer Kofaktoren im Serum bestimmt werden.
Referenzen:
- Zopf Y et al.: Differenzialdiagnose von Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(21): 359–70; DOI: 10.3238/arztebl.2009.0359
- Viswanathan L, Rao SS. Intestinal Disaccharidase Deficiency in Adults: Evaluation and Treatment. Curr Gastroenterol Rep. 2023 Jun;25(6):134-139. doi: 10.1007/s11894-023-00870-z. Epub 2023 May 18. PMID: 37199899; PMCID: PMC10226910.
- Itan Y et al.: A worldwide correlation of lactase persistence phenotype and genotypes. BMC Evol Biol. 2010 Feb 9;10:36. doi: 10.1186/1471-2148-10-36. PMID: 20144208; PMCID: PMC2834688.
- Höffeler, F. (2009), Geschichte und Evolution der Lactose(in)toleranz. Das Erbe der frühen Viehzüchter. Biologie in unserer Zeit, 39: 378-387. https://doi.org/10.1002/biuz.200910405
- Jarisch R GM, Hemmer W, Missbichler A, Raithel M,Wantke F: Histamin-Intoleranz. Histamin und Seekrankheit. 2. Aufl. Stuttgart, New York. Thieme Verlag 2004.
- Bischoff SC: Nahrungsmittelunverträglichkeiten – Update. Laryngo-Rhino-Otologie 2012; 91(11): 720 - 738. DOI: 10.1055/s-0032-1327567
- Limbach Gruppe SE. Nahrungsmittelunverträglichkeiten - Ein differenzialdiagnostisches Chamäleon. 2019.